Stadt & Land neu denken? Was wünschen sich Menschen im ländlichen Raum für eine lebenswerte Zukunft? Und was ist die Rolle der Städter?


Wieder Krieg? Oder wählen wir die Gemeinschaft?

Manchmal beschleicht mich ein Unwohlsein, dass irgend etwas mit unserer Gesellschaft, unserem Staatswesen, der Wirtschaft, der Umwelt, der Bildung, der Innovation, der Globalisierung systematisch auf falschem Kurs ist. Europa am Scheideweg? Rechte Parolen auf dem Vormarsch? Menschen im Hamsterrad, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und zu konsumieren? Geiz ist geil? Nach mir die Sintflut?

 

Nach einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Mai 2019 halten fast 30% der Deutschen einen Krieg zwischen europäischen Staaten in den nächsten 10 Jahren für wahrscheinlich - immerhin 50% glauben das nicht. In Frankreich und den Niederlanden aber glaubt bereits eine Mehrheit, dass es Krieg geben wird.

 

Ist das wahr? Was kann ich also tun? Ich kann im Kleinen anfangen. Statt den Kopf in den Sand zu stecken kann ich meinen eigenen Umgang mit meinen Nachbarn, meinen Ressourcenbedarf, meine Ansprüche und Erwartungen überprüfen. Und zwar hier, wo ich lebe und wirke.

 

Seit 20 Jahren lebe ich in Lörrach, der Stadt im Grenzgebiet mit Frankreich, der Schweiz und Deutschland, aber auch der Stadt mit einem weiten ländlichen Hinterland. Bis dato war für mich Lörrach die Stadt zum Leben, Schlafen, Arbeiten und Einkaufen. Der Schwarzwald der Ort für Freizeit, Wanderungen, Biken - aber ohne Beziehungen zu den Menschen.

 

Heute bin ich mehr denn je davon überzeugt, dass der Kitt, den die Welt zusammenhält und der uns vor dem Schlimmsten bewahrt, nicht zu kaufen ist, nicht von Heilsbringern, von der Politik und von der Verwaltung zu erwarten ist, sondern nur von uns selbst kommen kann. Ich glaube, dass Stadt und Land wieder lernen müssen, gemeinschaftlich für einander da zu sein. Städter haben eine Verantwortung, regional zu kaufen, zu unterstützen, mitzuhelfen, so wie es im ländlichen Raum eine starke Vision braucht, regional zu wirtschaften, sich zu vernetzen und gute Lebensbedingungen zu erhalten respektive zu schaffen. Um dazu mehr zu erfahren habe ich in diesem Sommer eine Lern- und Erkundungsreise in den benachbarten ländlichen Raum gemacht.


Auf Erkundung im ländlichen Raum ...


Im Sommer 2019 habe ich zwei Wochen lang wandernd Land & Leute erkundet. Dabei habe ich täglich zwischen 10 und 15 km zurück gelegt, allein oder mit interessierten Menschen. In zahlreichen Gesprächen, u.a. mit Bürger*innen, Jugendlichen, Landwirten, Gemeinderäten, Unternehmer*innen, Touristen, suchte ich Antworten auf Fragen wie:

  • Warum leben die Menschen hier und was reizt sie am Leben in dieser Region? 
  • Was ist das „Vermögen“, der „Schatz“ ihres Ortes, welche Werte gibt es hier und was sollte der Zukunft erhalten bleiben? 
  • Wenn wir eine Generation nach vorne denken, sagen wir 2050: welche Herausforderungen sehen die Menschen für ihre Region? Welche Chancen?
  • Wie sollte sich die Wirtschaft dazu verhalten? Und wie die Bürger*innen? Und wie die Nachbarstädte und Regionen?
  • Welches sind die „Orte von morgen“, die Initiativen und Unternehmen, die schon heute einen wichtigen Beitrag für eine positive Entwicklung liefern?
  • Und schließlich ganz praktisch: Was ist der schönste Wanderweg zum nächsten Etappenziel und mit wem sollte ich dort sprechen?

All dies habe ich in diesem Blog dokumentiert und mit all den guten Tipps und Hinweisen die digitale „Karte von morgen“ aufgefüllt.

Dabei handelt es sich überwiegend um mein Verständnis von Informationen der Menschen, die ich unterwegs getroffen habe, oder aus dem mir zur Verfügung gestelltem Material. Über Hinweise und Ergänzungen freue ich mich.


Etappen und Stationen

Die Auswahl & Wegführung basiert auf Vorschlägen und Einladungen von Menschen, die das Vorhaben unterstützt haben - herzlichen Dank dafür! Es konnte naturgemäß nur ein Teil des Landkreises sucht werden. Am dritten und vierten Tag besuchte ich Orte im Landkreis Waldshut. Hier die Etappen:

  1. 20. Juni: von Lörrach-Hauingen nach Rheinfelden, der "engagierten Stadt"
  2. 21. Juni: nach Schwörstadt
  3. 22. Juni: nach Murg, der "Stadt im Wandel" am Hochrhein
  4. 23. Juni: nach Herrischried
  5. 24. Juni: nach Gersbach, die Gemeinde, die sich selbst versorgen könnte 
  6. 25. Juni: über Kürnberg nach Raitbach, dem Ort für Experimente
  7. 26. Juni: nach Fröhnd im Wiesental
  8. 27. Juni: über Schönau nach Gschwend
  9. 28. Juni: über Tunau nochmal nach Schönau, zum Stromseminar der EWS
  10. 29. Juni: nach Schwand, zum Singer-Songwriter-Festival am Rosenhof
  11. 30. Juni: nach Wies, Raich und anderen Dörfern 
  12. 1. Juli: nach Tegernau, dem Verwaltungssitz der noch jungen Gemeinde "Kleines Wiesental"
  13. 2. Juli: über Endenburg nach Hofen
  14. 3. Juli: über das Bio-Energiedorf Hägelberg zurück nach Lörrach

Kartieren was gut ist ...

 Wandel startet mit Bewusstsein. Und mit Wissen. Und dabei hilft uns die digitale Welt: während google & co wirtschaftlich motiviert auf Gewinn und Wachstum abzielen, schaffen es kleine Graswurzelbewegungen, sich diese Entwicklungen nutzbar zu machen und uns zu helfen, im Dschungel der Möglichkeiten Wertvolles zu finden. In Lörrach habe ich mit fairNETZt bereits 100 Orte auf der Karte von morgen sichtbar gemacht, die in irgendeiner Art einen positiven Beitrag für ein enkeltaugliches Leben bieten, für eine faire Wirtschaft, einen wirksamen Klimaschutz oder einfach für mehr sozialen Zusammenhalt. Initiativen und Unternehmen.  Dabei kann jeder helfen, einerseits solche Orte auf der Karte einzutragen, andererseits dessen Zukunftsbeitrag nach 6 Kriterien zu bewerten. So entsteht ein Wikipedia der Möglichkeiten, so werden Juwelen aus der Nische geholt und andere zum Mit- und Nachmachen angeregt. 

Die Karte von morgen gibt es auch als App bei google und iTunes.

Wer mitmachen will oder sehen will, wie sich die Karte entlang der Wanderung weiter entwickelt, besuche bitte immer mal wieder die Webseite

Große Karte öffnen

Dieser Kartenausschnitt zeigt alle Initiativen und Orte, die ich entlang meiner Wanderung kennenlernen durfte - sie sind auf der Karte von morgen mit dem Hashtag #loe-quadrat indiziert.


Was bislang geschah - und was noch nicht geschah

Nun ist Sommer 2020. Über ein Jahr ist diese Wanderung nun her. Ich habe alle Stationen hier und auf der Karte von morgen dokumentiert. Ich habe begonnen, zu Themenclustern zu schreiben. So ist Mobilität ein Thema in vielen Gemeinden und die Lösungen gleichen sich - warum nicht voneinander lernen. Oder die Versorgung durch Dorfläden. Zu vielen Themen habe ich Material gesammelt aber noch keine Zeit gefunden, all das hier einzustellen. Ich bin gefragt worden, über die Wanderung vorzutragen und den GPS Track herauszugeben (habe ich selbst nicht;-)). Ich habe keine Anfragen von Wissenschaft, Wirtschaft, Tourismus oder Verwaltung erhalten, keine Aufträge und - das muss ich irgendwo auch mal sagen - mit dieser Reise kein Geld verdient (und will es auch nicht ;-)) und alle meine Auslagen selber bezahlt. Es gibt keine Sponsoren und keine Werbeblöcke. 

Viele der besuchten Orte und Menschen habe ich seither wieder gesehen, aus einigen sind gute Bekannten & Freunde geworden. So werden auch Tipps und Hinweise laufend ergänzt. 

Ob es zwischenzeitlich eine neue Umfrage gegeben hat, wie wahrscheinlich Krieg in den nächsten 10 Jahren ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir alle haben erlebt und erleben, was Corona mit uns macht - im Negativen wie im Positiven. Für die Umwelt und für das Zusammenwirken von Stadt und Land wäre es ein Segen, wenn Lieferketten wieder regionaler würden und Urlaube wieder auch in die Region gemacht würden. In diesem Sommer wurde deshalb der Link zu meiner Webseite als Anregungen für die Lörracher*innen vom Runden Tisch Klima beworben. Ein herzliches Dankeschön.

 

Was wird kommen?

Mit Martin Schulte Kellinghaus, dem bekannten Lörracher Fotograf und Multivisions-Vortragenden, bereite ich einen öffentlichen Erkundungungs-Abend - vielleicht für diesen Winter - vor.  

Für 2021 plane ich eine Wanderung entlang des Westwegs und durch das Markgräflerland. Wer sich daran beteiligen möchte oder eine gute Station / Etappe verraten möchte, wende sich gerne an mich.